Die unterschätzten Folgen der Mega-Regulierung
Auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen: Das soeben erfolgte Urteil des BGH ist nur ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einer vollständigen Verbannung der E-Zigaretten in die Arzneimittelschränke (und dafür müssen sie nicht apothekenpflichtig werden).
Das Problem ist im Moment: Die verantwortlichen Verbraucherschützer und Gesundheitsexperten der Bundesregierung und die sie beratenden Anti-Tabak-Aktivisten sind irrigerweise davon überzeugt, dass auch eine in die Hände der Pharmaindustrie verbannte und zum aromafreien, dampflosen Nuckelfläschchen verkommene E-Zigarette langfristig dieselben Umstiegszahlen produzieren würde wie das verkommene Genussmittel, dass sich heute E-Zigarette nennt.
Es muss dringend nachgewiesen werden, dass dem nicht so ist.
Nicht nur muss unwiderruflich klar sein, dass E-Zigaretten es einer statistisch signifikanten Anzahl an Menschen ermöglicht haben, mit dem Rauchen aufzuhören, denen dies vorher mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht gelungen war. Man muss auch überzeugend darlegen können, dass dieselben Menschen unter bestimmten Einschränkungen des Dampfens zum Rauchen zurückkehren und andere Raucher es nie in Erwägung ziehen würden.
Wären diese beiden Punkte eindeutig belegt, ist es mittelfristig fast unmöglich, die E-Zigarette „im Namen des Volkes“ weiterhin zu unterminieren.
Wir brauchen Regulierungsplanspiele
Während der Erfolg der E-Zigarette beim Tabak-Stopp bereits in eigentlich ausreichendem Maße nachgewiesen ist, sind zur zweiten Frage erschreckend wenige repräsentative Untersuchungen durchgeführt worden. Notwendig ist hier eine Art Planspiel mit verschiedenen „Regulierung-Szenarien“, die dampfende Ex-Raucher und Duale Nutzer virtuell durchspielen können.
Nun hat die amerikanische Organisation CASAA sich Ende 2015 bemüht, zu beiden Fragen Daten zu generieren. CASAA steht für Consumer Advocates for Smokefree Alternatives Association; es handelt sich um einen Zusammenschluss von Verbrauchern, die für die freie Entfaltung rauchfreier Alternativen zur Tabakzigarette kämpfen. CASAA hat 120.000 registrierte Mitglieder, die meisten davon dampfende Ex-Raucher.
Im November und Dezember 2015 hat CASAA unter seinen erwachsenen Mitgliedern eine Online-Umfrage gestartet, deren Durchführung etwa zehn Minuten in Anspruch nahm. Sie war eine Reaktion auf die anstehende Regulierung der E-Zigarette in den USA durch die FDA. CASAA wollte Informationen sammeln, um der FDA in ihrem Entscheidungsfindungsprozess zu unterstützen.
27.343 CASAA-Mitglieder partizipierten an der Umfrage; nachdem alle Nicht-Amerikaner und Minderjährigen, alle Nicht-Dampfer und unregelmäßigen Dampfer aussortiert waren, blieben noch 19.823 zurück. Das sind mehr Teilnehmer, als jemals an einer E-Zigarettenstudie teilgenommen haben. Natürlich sind diese weder notwendigerweise repräsentativ für alle Dampfer weltweit; streng wissenschaftlich betrachtet nicht einmal für alle amerikanischen E-Zigarettennutzer. Die Organisatoren gehen davon aus, dass die abgegebenen Antworten für ein bis zwei Millionen überzeugter Dampfer in den USA stehen könnten.
Dies gilt natürlich vor allem für die extrem hohe Erfolgsrate beim Umstieg von Tabakzigaretten auf E-Zigaretten – denn wer hier nicht überzeugt war, wäre auch gar nicht erst Mitglied von CASAA geworden. Für mich allerdings reicht schon die Zahl der Mitglieder an sich (also 120.000), um den grundsätzlichen Erfolg der E-Zigarette als einen Weg aus der Tabak-Abhängigkeit nachzuweisen.
Viel bedeutsamer aber sind die Antworten der Teilnehmenden hinsichtlich ihrer eigenen, wahrscheinlichen Reaktion auf eine restriktive E-Zigarettenregulierung. Dabei muss gleich ergänzt werden, dass die Teilnehmer bereits engagiert, informiert und erfahren genug waren, um sich im Falle eines totalen Banns den Aufbau eigener Versorgungs-Netzwerke vorstellen zu können – ein Ausweg, der dem größten Anteil der Bevölkerung nicht offen steht.
97% der Teilnehmer nutzen hauptsächlich und regelmäßig selbst befüllbare E-Zigaretten („Mods“), ein weiteres Prozent zumindest innerhalb des voran gegangenen Monats; 10% nutzten außerdem Einwegzigaretten zu bestimmten Gelegenheiten und 14% Geräte mit Kartuschen oder Kapselssystemen. 75% der Teilnehmer waren männlich, 14% zwischen 18 und 25, 30% zwischen 26 und 35, 44% zwischen 36 und 55 und 12% über 55 Jahre alt.
90% hatten mit dem Rauchen ganz aufgehört, nachdem sie mit dem Dampfen begonnen hatten, 5% rauchen noch manchmal, der Rest gab keine auswertbaren Antworten. Nur 6% der Befragten hatten zuvor noch nie versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, alle anderen hatten mehrfache erfolglose Versuche oft mit mehreren Methoden hinter sich (71% mit Nikotinersatztherapien, 41% mit Medikamenten, 21% mit Suchttherapien, 21% mit der Hilfe von ehrenamtlichen Organisationen oder Gesundheitsbehörden, 81% ohne jede Hilfe und (% mit weiteren, anderen Maßnahmen). 8% hatten es mit allen Methoden probiert, 21% mit vier und 46% mit zwischen zwei und drei.
51% der noch Rauchenden waren ihrer eigenen Einschätzung nach dank E-Zigaretten kurz davor, ganz aufzuhören; 44% rauchten aufgrund des Dampfens deutlich weniger. Nur 3% nutzen
E-Zigaretten neben einem unverminderten Tabakzigarettenkonsum.
64% gaben an, mit dem Dampfen bewusst begonnen zu haben, um mit dem Rauchen aufzuhören. 25% hatten ursprünglich lediglich vor, ihr Rauchen zu minimieren, hörten dann aber entgegen der eigenen Erwartung vollständig auf. 11% wählten das Dampfen aus völlig anderen Gründen (wie Bequemlichkeit oder Schutz der Umgebung), ohne sich über eine Verringerung oder einen Tabak-Stop Gedanken zu machen – und stiegen dennoch zu 100% um.
Insgesamt gaben 99% aller Befragten an, immer noch Raucher zu sein, wenn es keine E-Zigaretten gegeben hätte.
Nun wird es interessant. Denn CASAA befragte diese 99%, welche Aspekte der E-Zigarette bei diesem Umstiegs- oder Reduktionserfolg eine Rolle gespielt hätten. 72% der reinen Dampfer gaben an, es waren die interessante Aromen und die Vielfalt der Geschmacksrichtungen, die den Umstieg essenziell gefördert hätten. 53% der noch Rauchenden attestierten ebenfalls den Aromen eine wichtige Rolle in ihrer Überzeugung, bald aufhören zu können. Nur 4% gaben an, an Aromen überhaupt nicht interessiert zu sein; diese Gruppe war hauptsächlich am niedrigsten Preis orientiert. 43% nutzen mehr als eins aber weniger als fünf verschiedene Aromen monatlich; 28% nutzen über 20 Sorten im Monat.
Anschließend wurden den Beteiligten drei verschiedenen Regulierungsszenarios vorgelegt. Zu jedem wurden sie gebeten, ihre wahrscheinliche Reaktion zu beschreiben
Szenario 1
Der E-Zigaretten-Verkauf im Inland würde vollständig verboten, Besitz und Konsum aber blieben legal.
5% gaben an, in diesem Fall sowohl auf E-Zigaretten als auch auf Tabakprodukte verzichten zu wollen; 21% derer, die ganz mit dem Rauchen aufgehört hatten, gaben an, in diesem Fall wieder anzufangen; 50% der dualen Nutzer waren überzeugt, in diesem Fall wieder mehr zu rauchen, wahrscheinlich so viel wie vor dem Beginn des Dampfens; 93% würden dennoch weiter dampfen und ihren Produktbedarf durch Käufe aus dem Ausland, den Schwarzmarkt oder eigene Mixturen aus zugekauften Inhaltsstoffen abdecken; 4% wollten versuchen, zunächst auf Nikotinersatzprodukte umzusteigen.
Szenario 2
Der E-Zigaretten-Verkauf im Inland würde vollständig verboten, mit der Ausnahme von einigen wenigen, streng regulierten und lizensierten geschlossenen Systemen, die nur in Tabak oder Menthol-Aromen zu beziehen und teuerer wären als die gegenwärtigen E-Zigaretten (dieses Szenario kommt dem in meinen Augen von der Bundesregierung langfristig für Deutschland geplanten am nächsten). Besitz und Konsum blieben ebenfalls legal.
1% gab an, von dieser Veränderung nicht betroffen zu sein, da dies die auch momentan benutzten Aromen und Systeme seien; 6% gaben an, in diesem Fall sowohl auf E-Zigaretten als auch auf Tabakprodukte verzichten zu wollen; 21% derer, die ganz mit dem Rauchen aufgehört hatten, gaben an, in diesem Fall wieder anzufangen; 46% der dualen Nutzer waren überzeugt, in diesem Fall wieder mehr zu rauchen, wahrscheinlich so viel wie vor dem Beginn des Dampfens; 4% wollten versuchen, zunächst auf Nikotinersatzprodukte umzusteigen; 91% würden dennoch versuchen, bei ihrem gegenwärtigen System und Liquid zu bleiben und ihren Produktbedarf durch Käufe aus dem Ausland, den Schwarzmarkt oder eigene Mixturen aus zugekauften Inhaltsstoffen abzudecken.
Szenario 3
Alle E-Zigaretten würden einer strengen Qualitätskontrolle unterliegen, aber sowohl offene als auch geschlossene Systeme wären nach wie vor erhältlich. Sowohl Einweg-E-Zigaretten als auch Kartuschensysteme als auch Liquids wären aber nur in Tabak oder Menthol-Aromen zu beziehen (dieses Szenario kommt dem nach der Implementierung des neuen deuschen Tabakgesetzes am nächsten). Besitz und Konsum blieben ebenfalls legal.
4% gab an, von dieser Veränderung nicht betroffen zu sein, da dies die auch momentan benutzten Aromen und Systeme seien; 10% würden versuchen, auf Tabak und Menthol umzusteigen; 5% gaben an, in diesem Fall sowohl auf E-Zigaretten als auch auf Tabakprodukte verzichten zu wollen; 14% derer, die ganz mit dem Rauchen aufgehört hatten, gaben an, in diesem Fall wieder anzufangen; 35% der dualen Nutzer waren überzeugt, in diesem Fall wieder mehr zu rauchen, wahrscheinlich so viel wie vor dem Beginn des Dampfens; 3% wollten versuchen, zunächst auf Nikotinersatzprodukte umzusteigen; 89% würden dennoch versuchen, bei ihrem gegenwärtigen System und Liquid zu bleiben und ihren Produktbedarf durch Käufe aus dem Ausland, den Schwarzmarkt oder eigene Mixturen aus zugekauften Inhaltsstoffen abzudecken.
Das Fazit dieser Umfrage ist klar:
- sowohl nach Implementierung des neuen Tabakgesetzes als auch bei späteren (und zweifellos bereits geplanten) Verschärfungen wird es zu einem Anstieg an Rauchern in der Bevölkerung sowie an Tabakkonsum kommen
- die Abschaffung der Aromen-Vielfalt wird diese Anzahl noch potenzieren
- Es wird sich ein reger Schwarzmarkt entwickeln, der mit unregulierten und unregulierbaren Produkten handelt
- Es werden Gelder aus dem deutschen Mittelstand ins Ausland abfließen
- die von der Regierung und der Pharmaindustrie höchstwahrscheinlich geplanten
„E-Zigaretten-Stummel“ werden dieselbe enttäuschende Wirkung haben wie Nikotinersatzprodukte
- eine überwältigende Anzahl von Rauchern, die der E-Zigarette eine Chance gegeben hätten, werden vom Dampferlebnis der Pharma-Stummel so enttäuscht sein, dass sie unmittelbar weiter rauchen
Man könnte es auch anders ausdrücken: Die gegenwärtige Regulierungspolitik der EU, aber sehr viel mehr noch der deutschen Bundesregierung wird keines der von ihr publizierten Ziele erfüllen und stattdessen viele der ohne ihr Zutun durch den freien E-Zigarettenmarkt erreichten Tabak-Stop-Erfolge zunichte machen.
Klar, das wussten wir schon. Aber nun haben wir es das erste Mal schwarz auf weiß. Es ist ein Skandal, dass uns eine amerikanische Aktivisten-Organisation diese Daten liefern musste. Es wäre eine Verpflichtung der ministerialen Ausschüsse gewesen, eine analoge Befragung durchzuführen.
Noch ist Zeit dafür. Die soeben zu Ende gegangene Petition zeigt, dass die Bereitschaft zur Beteiligung ebenfalls besteht. Aber da die Bundesregierung ganz andere Interessen hat als die des Verbraucherschutzes, wird sie sich hüten, diese Chance zu ergreifen – und die eigene Agenda als theoretisches Kartenhaus entlarvt zu sehen.
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