Die FDA-Regulierung der E-Zigarette

U.S. Department of health and Human Services Food and Drug Administration

Warum die US-Dampferbranche innerhalb von zwei Jahren vernichtet sein wird

Teil I:
Lange hat die Welt auf eine Entscheidung der US Food and Drugs Administration in Sachen E-Zigarette gewartet. Nun ist ihre bereits im Mai veröffentlichte Regulierungsentscheidung wirksam geworden.

Das Ergebnis ist skandalös und wird extrem destruktive Auswirkungen nicht nur auf die E-Zigarettenindustrie in den USA und die dortige öffentliche Gesundheit haben. Unser Zweiteiler gibt einen Überblick über die kommenden Veränderungen für Dampfer in den USA, wagt einen Ausblick auf die Konsequenzen dieser offensichtlichen Fehlentscheidung für Amerika und den Rest der Welt und zeichnet ein eher überraschendes Bild von den zukünftigen Rollen, die die Tabak- und E-Zigaretten-Industrie bei dem Versuch spielen wird und muss, um dieses politische Desaster zu kompensieren (wo möglich).

Die FDA hat es sich zumindest nicht leicht gemacht. Sie legt einen 499 Seiten langen Bericht vor, indem sie ihre Entscheidung detailliert begründet. Hierin versucht die FDA, mit drei von ihr als Missständen bezeichneten Tatsachen aufzuräumen.

  1. Fehlende Produkthaftung: Bis dato konnte in den USA niemand für die Sicherheit von E-Zigaretten oder Liquids haftbar gemacht werden.
  2. Keine industrie-unabhängigen Tests: Es gab keine standardisierten, regulierenden Test-Prozesse, durch die von den Herstellern aufgestellte Produktaussagen getestet werden konnten
  3. Mangelhafte Legislative: Der Gesetzgeber hatte keine Handhabe, um für den Verbraucher riskante Produkte vom Markt zu nehmen

 

Alle drei Punkte sind von Seiten einer Gesundheitsbehörde nachvollziehbare Kritikpunkte, deren vernünftige Beseitigung durchaus im Sinne des Verbrauchers hätte formuliert werden können.

Stattdessen aber hat die FDA ein Regulierungsmonster geschaffen, das augenscheinlich ganz anderen Zwecken dient und das Todesurteil des amerikanischen Dampfmarktes darstellt, wie wir ihn heute kennen.

Doch der Reihe nach. Was steht drin im FDA-Papier?

Seit August 2016 müssen alle Hersteller und Importeur, die neue E-Zigaretten und Liquids in die USA importieren oder diese dort herstellen und vertreiben möchten, sogenannte „pre-market tobacco applications“ (PMTA) einreichen.

Die Alternative sind Ausnahmegenehmigungen, die aber nur für Produkte, die vor 2007 bereits auf dem Markt waren oder exakt wie diese funktionieren bzw. zusammengestellt sind, gelten. Wer die Geschichte der E-Zigarette kennt, weiß, dass die Summe der Hardware und Liquids, auf die dies zutreffen würde, gleich Null ist.

Dieses Datum überhaupt in die Regulierung aufzunehmen, ist eigentlich ein schlechter Witz – zu diesem Zeitpunkt gab es de facto noch kein wirkliches amerikanischen Dampfbusiness. Hinzu kommt, dass die damals verfügbaren Geräte und Liquids, wenn überhaupt, von schlechterer Qualität und wesentlich riskanter in der Handhabung waren als jedes Gerät, was etwa in den letzten drei Jahren produziert wurde.

Bis zum August 2018 haben die Händler nun Zeit, für ihre Produkte PMTAs einzureichen. Jedes Produkt, für das in dieser Zeit um Genehmigung ersucht wird, darf danach noch ein weiteres Jahr auf dem Markt bleiben, wenn die FDA nicht zuvor zu einer Entscheidung bezüglich seiner Eignung kommt. Dies gilt wohlgemerkt nur für bereits produzierte und vertriebene Produkte. Neue Produkte dürfen nicht mehr auf den Markt gebracht werden, ohne dass die FDA sie zuvor auf der Basis einer PMTA genehmigt hätte.

Nur nochmals zur Klärung: Von dieser Regelung sind Geräte und E-Liquids betroffen. Für absolut jedes Produkt muss separat eine PMTA eingereicht werden. E-Liquids mit verschiedenen Nikotinstärken gelten als unterschiedliche Produkte, auch wenn sonst alle ihre Inhaltsstoffe identisch sind. Kleine Liquid-Hersteller, die etwa nur 15 (gut laufende) Liquids im Angebot haben, diese aber in vier Nikotinstärken (etwa Null bis 18) anbieten, müssten also 60 Anträge einreichen (bei einem Kostenapparat von, wie weiter unten erläutert, insgesamt 18 Millionen Dollar – kein Witz).

Sie müssten außerdem nachweisen, dass jedes dieser Liquids in jeder möglichen, auf dem Markt befindlichen E-Zigarette theoretisch in der Lage sein könnte, einen Gesundheitsnutzen zu generieren. Mit anderen Worten: Sie können auch genauso gut gleich die Produktion einstellen.

Jugendliche beim Dampfen

Schon verständlicher: Abgabeverbot an Jugendliche, wie auch dieses Jahr in Deutschland verabschiedet

 

Ebenfalls gesetzlich geregelt ist nun, dass wie auch in Deutschland, die Abgabe von E-Zigaretten-Produkten an Jugendliche unter 18 Jahren verboten wird. E-Zigaretten und Liquids dürfen zudem nicht mehr als Werbeartikel verschenkt werden, die Werbeverbote fürs Vapen werden sehr viel strikter und Warnhinweise müssen ab jetzt auf den Verpackungen aufgedruckt werden.

Das Problem an diesen Regulierungsvorgaben liegt im Detail.

Denn nach den Vorstellungen der FDA ist die Grundvoraussetzung für eine Produktzulassung der Nachweis von Seiten des Herstellers, dass sein Produkt – also die E-Zigarette oder das E-Liquid – einen Gesundheitsnutzen bietet. Auf ihrer Webseite erläutert die FDA, was sie unter diesem versteht:

When Should I Use the Premarket Tobacco Application Process

 

Übersetzung: Wie weise ich nach, dass das neue Tabakprodukt (denn so werden die E-Zigaretten völlig fälschlicherweise von der FDA bezeichnet. Anm. d. Red.) zum Schutz der öffentlichen Gesundheit geeignet ist? „Premarket Tobacco Applications“ müssen wissenschaftliche Daten vorlegen, um nachzuweisen , dass das neue Tabakprodukt der Bevölkerung als Ganzes einschließlich seiner Nutzer und Nicht-Nutzer gesundheitliche Vorteile bringt. Dieser Nachweis muss die erhöhte oder verringerte Wahrscheinlichkeit berücksichtigen, dass vorhandene Tabakkonsumenten durch dessen Verwendung mit ihren Konsum solcher Produkte aufhören und die erhöhte oder verringerte Wahrscheinlichkeit berücksichtigen, dass diejenigen, die Tabakprodukte bisher nicht nutzen, damit anfangen könnten.

Um dieses Kauderwelsch in die Alltagssprache zu übertragen: Ein neues E-Zigarette-Produkt wird nur zugelassen, wenn der Hersteller auf der Grundlage von nach wissenschaftlichen Kriterien gesammelten Daten nachweisen kann, dass:

• sein Produkt (ob Hardware oder Liquid) Rauchern dabei helfen kann, sich das Rauchen abzugewöhnen
• Nichtraucher und Nichtdampfer nicht dazu verleiten wird, mit dem Gebrauch seines Produktes anzufangen

Darüber hinaus müssen Hersteller und Importeure über ihre Produkte unter anderem noch die folgenden Informationen abgeben (http://www.fda.gov/TobaccoProducts/Labeling/RulesRegulationsGuidance/ucm262073.htm#910_b_1):

• alle Informationen hinsichtlich bereits erfolgter Untersuchungen der Gesundheitsrisiken des Produktes und Untersuchungen über Vergleiche der Risiken des Produktes mit anderen Tabakprodukten
• eine lückenlose Angabe aller Komponenten, Zutaten, Zusatzstoffe, Eigenschaften und Funktionsprinzipien
• eine vollständige Beschreibung der für die Herstellung, Verarbeitung, Verpackung und Montage verwendeten Methoden, Maschinen und Kontrollen
• Proben der Produkte und ihrer Komponenten

Zigaretten Test

Zumeist können sich Produzenten noch nicht einmal das Test-Equipment leisten, das sie bräuchten; und in vielen Fällen die Beauftragung eines externen Labors genauso wenig.

Wo liegt das Problem?

Durch die Vorgaben der FDA entstehen zwei grundsätzliche Probleme.

Zum einen sind die Tests, die den von der FDA aufgestellten Kriterien entsprechen, sehr, sehr teuer.

Mitch Zeller, der bei der FDA für Tabakprodukte Zuständige, beziffert die Initialkosten für eine Zulassung auf durchschnittlich 330.000 Dollar pro Produkt – auch wenn, wie er in einem Interview eingeräumt hat, die FDA langfristig eine Reduzierung dieser Kosten anstrebt. Wie und wann sie dies vorhat, hat er allerdings nicht hinzugefügt. Die FDA geht weiterhin davon aus, dass das Zulassungsprozedere Unternehmen als Ganzes zwischen 3 Millionen und $20 Millionen US-Dollar kosten und durchschnittlich 1,713 Stunden Bearbeitungszeit in Anspruch nehmen wird.

Kleinen und mittleren Hersteller-Betrieben, die bisher den Löwenanteil des E-Zigarettenmarktes in den USA ausmachen, stehen keine Budgets für Dutzende an notwendigen Tests an ihrer kompletten Produktpalette zur Verfügung. Sie werden daher ihre Produktion zeitnah einstellen und ihre Mitarbeiter entlassen müssen.

Zum zweiten ist es völlig unklar, ob die FDA überhaupt einer der Argumentationen der Hersteller hinsichtlich des Gesundheitsnutzens seiner Produkte folgen wird, unabhängig von dessen Unternehmensgröße. Die entsprechenden Formulierungen der FDA sind mehr als vage. Werden sie extrem strikt ausgelegt, könnten sie auch dazu genutzt werden, E-Zigaretten und E-Liquids den Zugang zum US-Markt völlig zu versagen. Das wäre das Ende des Dampfens in den USA.

Die Konsequenz: Eine knallharte Konsolidierung des Dampf-Marktes auf Big Tobacco Produkte

Philip Morris Research

Phillip Morris 150 Millionen-Dollar Forschungseinrichtung für E-Zigaretten im schweizerischen Neuchâtel

 

Profitieren wird von der FDA-Regulierung natürlich die Tabak- und Pharmaindustrie, die beide sowohl über die finanziellen Mittel verfügen, um die gestellten Anforderungen zu erfüllen, als auch die logistischen Rahmenbedingungen mit hauseigenen Labors und hochkarätigen in-house Wissenschaftlern bereits geschaffen haben.

Höchstwahrscheinlich wird der US-Dampf-Markt also in den nächsten zwei Jahren auf einen Bruchteil der heute bunten und vielfältigen Anbieter zurück schrumpfen; die von Big Tobacco und den Pharamriesen vertriebenen Produkte werden omnipräsent sein.

Die FDA selber weiß genau, was sie da tut. Sie redet auch nicht um den heißen Brei herum, sondern gibt selber zu, dass ihren Berechnungen nach 99% der gegenwärtig operierenden E-Zigaretten-Unternehmen werden schließen müssen.

Das verbleibende 1% (siehe oben) jedoch, so die Behörde, werde die Innovationen auf dem Gebiet der E-Zigarette zuverlässig verantworten und vorantreiben – die Regulierung werde Innovation nicht etwa abwürgen, sondern stattdessen hervorbringen („The [premarket review] (and the deeming rule as a whole) will not stifle innovation but could, instead, encourage it“/ Seite 267).

Damit mag sie recht haben, wenn man davon ausgeht, dass „Innovation“ ein neutraler Begriff ist, der sich auch auf die immer neuen Wege beziehen lässt, auf denen Börsen-Konzerne aus der Tabak- und Pharma-Branche Konsumenten das Geld aus der Tasche ziehen.

Analysten wie die für Wells Fargo arbeitende Tabakexpertin Bonnie Herzog vermuten, dass die auf dem US-Markt vorherrschenden Unternehmen innerhalb der nächsten drei Jahre die Altria Group (Mutterunternehmen von Phillip Morris) und R.J. Reynolds sein werden – sie sprechen bereits von einer “ government-created vaping duopoly“, einem von der Regierung erschaffenen Dampf-Monopol zweier Großunternehmen, die sich den Markt gemütlich untereinander aufteilen werden.

Und wieder ist es soweit: Die Tabakunternehmen triumphieren

Cameron, Präsidentin und CEO von Reynolds American

Susan M. Cameron, Präsidentin und CEO von Reynolds American, Inc., mit ihrer E-Zigarette der hauseigenen Marke VUSE

Dank FDA sieht Big Tobacco jetzt genau den Streifen an einem Horizont wieder aufschimmern, der sich aufgrund der wegbrechenden Zigarettenumsätze in den letzten fünf Jahren mehr und mehr zugezogen hatte. Es wird die Tabakkonzerne zweifelsohne etwas kosten – doch tatsächlich sind diese Kosten Peanuts im Vergleich zu den Einnahmemöglichkeiten, die die FDA ihnen gerade auf dem Silbertablett serviert hat.

Um dieses hart an der Legalität vorbei schrammende Vorgehen zu maskieren, hat die FDA ein Programm extra für “small-scale tobacco product manufactures” aufgelegt, kleinere Unternehmen also. Dazu zählen darf sich jeder Hersteller, der 150 oder weniger Personen fest angestellt hat und jährlich unter 5 Millionen Dollar Umsatz macht. Diese Unternehmen erhalten auf Wunsch Unterstützung von der FDA bei der Umsetzung der Regulierung und haben auch etwas mehr Zeit dafür.

In der Praxis aber sind diese Gesten einfach nur Augenwischerei. Auch eine helfende Hand und eine etwas längere Galgenfrist wird ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 5 Millionen Dollar (wenn überhaupt) nicht dazu in der Lage versetzen, seine Produkte für mindestens drei Millionen testen zu lassen und Menschen abzustellen, die aus dem Nichts mehr als 1000 Stunden Arbeitszeit zusätzlich leisten können.

Die wirkliche Ironie: Big Tobacco grast nun Weiden ab, die risikofreudige Dampf-Start-Ups gepflanzt haben

Dampfshop

Ein Bild der Vergangenheit: Breite Auswahl an Flavors einer unabhängigen E-Liquid-Marke in den USA

 

Einer der Gründe für die inzwischen enorme Popularität des Dampfens in den USA (und weltweit) ist die rasant verbesserte Qualität der Produkte seit dem Jahr 2007. Die damaligen Dampfen waren sowohl in Performance, als auch in Fragen Technologie und vor allem Sicherheit geradezu lachhaft im Vergleich zu den heute verfügbaren, inzwischen oft temperaturgeregelten Geräten.

Sie waren unzuverlässig, es gab keine wirkliche Auswahl und vor allem imitierten sie das Raucherlebnis einer Zigarette nicht annähernd so befriedigend wie die heutige Hardware. Diese enorme Leistungs- und Qualitätssteigerung ist einem unabhängigen, dynamischen, iterativen, selbst gesteuerten mittelständischem Markt zu verdanken, in dem der Netzwerkgedanke oft tragender war als ein zerstörerischer Wettbewerb und echte Leidenschaft für das Produkt und gelebte Kundennähe zu wirklich verbraucher-relevanten Produkten geführt hat.

Die resultierende Innovation und Produktvielfalt hat sich Big Tobacco bereits in den letzten drei Jahren durch eine Vielzahl vormals unabhängiger E-Zigarettenhersteller gesichert. Nun hat das FDA sie in die Lage versetzt, den Markt komplett abzuräumen und dabei sämtliche organisch entstandene Entwicklungen der Dampf-Technologie für umsonst mitzunehmen, die ihre eigenen Entwicklungsabteilungen (falls sie überhaupt dazu in der Lage gewesen wären) Milliarden gekostet hätten.

 

1 Kommentar

Kommentare sind deaktiviert.