Klein, aber entscheidend – Wie Kleinbauern die Biodiversität retten könnten

Klein, aber entscheidend – Wie Kleinbauern die Biodiversität retten könnten

Freiburg, 14. Juli 2025 – Wenn es um die großen Krisen der Gegenwart geht, fällt der Blick selten auf Baumwollfelder. Doch genau dort, wo Baumwolle wächst – auf etwa 2,5 % der weltweiten Ackerfläche – entscheidet sich mitunter das Schicksal ganzer Ökosysteme. Ein neuer Bericht von Solidaridad und der Organic Cotton Accelerator (OCA) rückt nun eine Gruppe in den Fokus, die in globalen Debatten oft übersehen wird: Kleinbäuerinnen und -bauern. Und stellt ihnen ein überraschend großes Zeugnis aus.

Baumwolle frisst Artenvielfalt

Die Zahlen lesen sich wie eine ökologische Warnsirene: Baumwolle gehört zu den pestizidintensivsten Kulturen der Welt, landet im globalen Pestizidranking auf Platz sechs, bei besonders gefährlichen Insektiziden sogar auf Platz drei. Mit Monokulturen, hohem Wasserverbrauch und der Zerstörung natürlicher Flächen wird der Sektor zu einem stillen, aber verlässlichen Mitverursacher der Biodiversitätskrise.

Dabei geht es nicht nur um abstrakte Artenlisten. Der Bericht zitiert Fälle wie das Fischsterben im australischen Darling River, wo 2019 über eine Million Fische verendeten – mitverursacht durch massive Wasserentnahmen für die Baumwollbewässerung.

Die vergessenen Biodiversitätshelden

Doch es gibt Hoffnung – und sie hat viele kleine Gesichter. Über 70 % der weltweiten Baumwolle wird von Kleinbäuerinnen angebaut. Genau diese Gruppe könne, so die Autorinnen des Berichts, zum entscheidenden Hebel für mehr Biodiversität werden. Warum? Weil sie – anders als große Agrarbetriebe – näher am Boden arbeitet, oft vielfältiger wirtschaftet und schneller auf nachhaltige Praktiken umstellen kann.

„Kleinbäuer*innen können diesen Wandel anführen“, sagt Bart Vollaard, Geschäftsführer des OCA. Voraussetzung dafür: Unterstützung, Investitionen, Bildung. Und ein Bewusstsein dafür, dass ökologische Landwirtschaft nicht Verzicht bedeutet, sondern Zukunft.

Regenerativ statt chemisch

Ein Blick nach Maharashtra, Indien: Dort führte Solidaridad gemeinsam mit lokalen Bäuer*innen regenerative Anbaupraktiken ein – mit Erfolg. Nach fünf Jahren wurden fast 40.000 Hektar Fläche nachhaltig bewirtschaftet. Die Ergebnisse: Weniger Kosten, mehr Ertrag, deutlich geringerer Wasserverbrauch.

Ähnlich eindrucksvoll das Projekt in Petlawad, Madhya Pradesh: Das Bäuer*innenpaar Rama und Sajan Bhilji verwandelte seine Farm in ein Lehrbuch-Beispiel für biodiverse Mischkultur. Baumwolle, Bohnen, Sonnenblumen, Ringelblumen – alles auf einem Feld, ergänzt durch Bäume wie Neem, Mango und Akazie. Ein Ökosystem, das summt und lebt. Und ein Beispiel dafür, wie bäuerliches Wissen und moderne Nachhaltigkeitsprinzipien ineinandergreifen können.

Zwischen Ideal und Realität

So inspirierend diese Beispiele auch sind – sie bleiben bislang Ausnahmen. Der konventionelle Baumwollanbau dominiert weiter, gestützt durch Subventionen, fehlende Marktanreize und ein System, das kurzfristige Erträge über langfristige Nachhaltigkeit stellt.

Hier setzt der Appell des Berichts an. Marken, Händler, Regierungen, Zertifizierer – sie alle müssten handeln. Nicht nur mit Logos auf T-Shirts, sondern mit echten Budgets, mit Weiterbildungen, mit Forschung und verlässlichen Lieferketten, die auf Biodiversität als Wert setzen, nicht als Kollateralschaden.

„Die Landwirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität leisten – wenn sie im Einklang mit der Natur betrieben wird“, sagt Tamar Hoek von Solidaridad. Was wie ein Satz aus einem Umweltpapier klingt, ist in Wahrheit eine systemische Kampfansage an eine Branche, die bislang von Uniformität lebt.

Das größere Bild

Was bleibt, ist eine simple Erkenntnis mit globaler Sprengkraft: Kleinbäuerinnen haben das Potenzial, zu Biodiversitäts-Boostern zu werden.* Nicht aus Romantik, sondern weil ihr Wirtschaften näher an der Natur ist. Weil sie – mit der richtigen Unterstützung – zeigen, wie Landwirtschaft nicht gegen, sondern für die Natur funktionieren kann.

Die eigentliche Frage ist daher nicht, ob kleinbäuerliche Betriebe helfen können. Sondern: Wollen wir, dass sie es tun?

👉 Bericht hier herunterladen:
https://sustainablecottonhub.org/cotton-papers