Lebensmittel online bestellen – Top oder Flop?
Im Grunde gibt es aktuell nichts mehr, was man als Konsument nicht online bestellen kann: Kleidung, Spiele, Autos, Häuser, Inseln, Drogen und selbstverständlich lassen sich auch Lebensmittel online bestellen! Doch wie gut ist er wirklich, der Lebensmittel-Online-Handel? Und für wen eignet er sich? Ist der Markt ein Potenzialträger oder haben sich die Versuche, die Lebensmittel online via Bestellung an den Kunden zu bringen als Flop erwiesen? Nachdem nun auch Amazon versucht in diesem Markt Fuß zu fassen, lohnt tatsächlich einmal eine genauere Betrachtung des Marktsegments. Wer engagiert sich als Lebensmittel-Online-Händler, wen kann man empfehlen und von wem sollte man lieber die Finger lassen?
Lebensmittel online bestellen – oder doch lieber sofort den Pizzadienst anrufen?
Dass man sich als hungriger Mensch Nahrung ins Haus liefern lassen kann, ist nun wirklich alles, nur nicht neu. Und dass Supermärkte Lieferdienste haben, welche die Einkäufe ab einem gewissen Einkaufswert auch nach Hause liefern, ist ebenso keine Revolution. Doch bis vor geraumer Zeit war es eben so, dass man zuerst in den Laden musste, seine Einkäufe in den Wagen packte, an die Kasse ging, um dort zu bezahlen und dann, wenn man einen gewissen Einkaufswert erreicht oder überschritten hatte, war die Lieferung zu sich in die Wohnung oder das Haus möglich. Doch dieser lästige Gang durch den Laden – ist er wirklich so lästig? – entfällt dann, wenn man seine Lebensmittel online bestellt. Ab auf die Seite des Anbieters, das Angebot durchscrollen, die Artikel mit gewünschter Menge anklicken, fertig. Für die ersten drei Bestellvorgänge entfallen bei manchen Anbietern, hier Rewe, sogar Servicegebühren. Und was das Zahlen angeht, ist man auch recht flexibel: Zahlung per PayPal, per Kreditkarte, mittels Lastschrift oder auch Kauf auf Rechnung (bei entsprechender Bonität natürlich nur) sind möglich.
Klingt alles toll und ist sicher ein Renner? Nein, nicht wirklich! Natürlich ist es sehr bequem, die eigenen Lebensmittel online bestellen zu können, aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier und kauft weit lieber stationär, als dass er seine Lebensmittel online einkaufen möchte. Nur rund sechs Prozent kaufen regelmäßig ihre Lebensmittel online. Der Lebensmittel-Online-Handel liegt damit bei unter einem Prozent des Gesamtmarktes an Käufen über das Netz.
Woran krankt der Online Handel von Lebensmitteln?
Einkauf ist Vertrauenssache. Gerade dann, wenn man frische Produkte kauft, will man sich gerne selbst von der Qualität und der Frische überzeugen. Trau, schau, wem! Zudem wird das Einkaufen von der Mehrheit der Bevölkerung nicht als lästig empfunden, sondern man empfindet Spaß dabei, sieht es als Art der sozialen Kontaktpflege. Es wird mit den Verkäufern interagiert, geredet, Tratsch ausgetauscht und manchmal trifft man sogar die Liebe seines Lebens beim Lebensmittelkauf – zumindest in Filmen von Rosamunde Pilcher. Nein, die Menschen haben einfach Spaß am stationären Lebensmittelkauf. Man sieht Dinge, gewinnt Eindrücke, überdenkt teils nochmals den Essenplan oder sieht spontan Dinge, die man noch benötigt. Und wer mit offenen Augen seinen Lieblings-Supermarkt anschaut, der wird festgestellt haben, gerade in den letzten Jahren hat sich hinsichtlich der Innenausstattung und der Produktpalette sehr viel getan. Nach Abteilungen sortiert, Relax-Inseln mit Aquarium, Highlights für Kids – der unpersönliche Supermarkt ist das Gestern.
Wieso schafft es der Lebensmittel-Online-Handel nicht, dem Kunden einen echten Mehrwert zu bieten?
Auf Befragungen, was den Kunden dazu motivieren würde, seine Lebensmittel online zu beziehen, erhält man grundsätzlich eine identische Antwort: Der Mehrwert muss stimmen! Zeitersparnis, Bequemlichkeit, frische Produkte, Top-Qualität, stimmiges Verhältnis von Leistung zu Preis und schon wäre man geneigt – gerade ab einem gewissen Haushaltseinkommen – diesen Service gerne in Anspruch zu nehmen. Gerade die Lieferkosten sind ein steter Stein des Anstoßes und verursachen den Konsumenten massive Magenschmerzen. Das auch aus dem Grund, dass im Grunde jeder Anbieter nur wenige Minuten vom heimischen Standort entfernt seinen Laden hat. Außer man selbst wohnt in der absoluten ländlichen Einöde, aber dann ist man nicht selten Selbstversorger, was Frischeprodukte angeht oder der Bauer ist nur einen Steinwurf entfernt.
Die Bestellung der Lebensmittel online scheitert überwiegend an folgenden Kriterien:
- Lieferkosten
- Ungenauer Zeitpunkt der Lieferung
- Ungewissheit, wie lange die Waren auf dem Lieferwagen sind
- Nur ein kleines Zeitfenster an Lieferzeiten
- Zusatzmüll durch Verpackungen seitens des Supermarktes
Amazon will Rewe, Edeka und Co. „ans Online-Leder“
Wer den Namen Amazon hört, der denkt an den Einkauf von Elektroartikeln, Büchern, DVD, Spielen, Hygiene-Produkten und Co – aber ganz sicher erst einmal nicht daran, dort Lebensmittel online zu bestellen. Aber genau das soll sich ändern, denn der Gigant der Internet-Warenhäuser will in den Online-Lebensmittel Handel einsteigen. Amazon Pantry soll das schaffen, was den anderen Lebensmittel Grossisten bisher verwehrt geblieben ist: Den Markt dafür zu öffnen, dass man seine Lebensmittel online bestellt und das nachhaltig. Bisher allerdings, das steht fest, wird sich Amazon auf den Bereich fokussieren, bei dem es um haltbare Lebensmittel geht: Waschmittel, haltbare Produkte, Tiernahrung, Beauty-Produkte.
Amazon hat natürlich erkannt, dass der Lebensmittel online Markt in einer Bevölkerung, die immer älter wird und immer mehr aus arbeitenden Single-Haushalten besteht, ein Milliardengeschäft verspricht. Doch will der Gigant das Potenzial abgreifen, wenn das die Supermärkte vor Ort nicht vollbracht haben? Nur darauf zu bauen, dass man sich neben der neusten Ausgabe von „50 Shades of Grey“ auch noch schnell den Wocheneinkauf an haltbaren Produkten hinzu bestellt, wäre wohl eher sehr kurzsichtig gedacht. Und wie will man liefern, wenn die Kunden schon oft genug erlebt und bemängelt haben, dass die Lieferungen durch Unternehmen wie beispielsweise DHL endlos auf den Fahrzeugen liegen blieben? Hier wissen Kunden zu berichten, dass sie nicht nur tagelang auf die Lieferung des Katzenstreus gewartet haben, sondern am Ende die schweren Säcke doch selbst in den 5. Stock tragen mussten – da hätte man es sich im Grunde auch selbst kaufen können und wäre wohl schneller gewesen. Und ob das reichen wird, dass man den nächsten Schritt zu Amazon Fresh vollzieht, darf auch abgewartet werden.
Für wen ist es interessant, Lebensmittel online zu bestellen?
Bei den meisten Produkten ist es sehr einfach zu spezifizieren, wo sitzt die Zielgruppe, wer kommt für das Produkt oder das Angebot infrage. Nicht so beim Lebensmittel online bestellen. Auch wenn die meisten Anbieter ihre Kundschaft eher im gehobenen Einkommenssegment verorten und davon ausgehen, dass gerade (männliche und gut verdienende) Singlehaushalte zu ihrer Zielgruppe gehören, so ist auch der Bereich der Personen mit Handikap oder der immer größere werdende Kreis der älteren Personen, der zwar einen Computer bedienen kann, dem aber die Mobilität fehlt, interessant. Deutschland, das ist de facto so, wird immer älter. Bei 44,3 Jahren lag das durchschnittliche Alter Deutschlands bereits vor rund sechs Jahren – und die Durchschnittsbevölkerung ist seitdem alles, nur garantiert nicht jünger geworden.
Doch auch hierbei muss sicherlich nach den Produktgruppen unterschieden werden. So sind es eher männliche Onlinekäufer, die eher haltbare, Mikrowellen geeignete und warm zu machende Gerichte ordern. Der weibliche Markt kauft da eher an der Frische orientiert und achtet auch sonst auf gesunde Lebensmittel. So wird es am Ende so sein, um erst mal den erfolgreichen Einstieg in den riesigen Potenzialträgermarkt zu bewerkstelligen, dass man sich auf die primären Zielgruppen fokussiert. Das wiederum spielt dann Häusern wie Amazon klar in die Hände, da dort Produkte mit großer Haltbarkeit angeboten werden. Für die weibliche und ältere Kundschaft, die unter altersbedingten Mobilitätsproblemen leidet, ist der klassische Supermarkt mit Lieferservice weit besser aufgestellt, denn hier geht es ebenso um die Produkte wie Obst, Gemüse, Fleisch, Fisch und Co. Und in diesem Marktsegment wird es noch dauern, bis Amazon dort gedenkt Fuß zu fassen.