Wie CETA, TTIP & Co. eine Pro-E-Zigaretten Politik gefährden

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Wie CETA, TTIP & Co. eine Pro-E-Zigaretten Politik gefährden

Wie CETA, TTIP & Co. eine Pro-E-Zigaretten Politik gefährden und uns in jedem Fall Millionen kosten werden

Glücklicherweise hat die Diskussion um das geplante Freihandelsabkommen zwischen der europäischen Union und den USA, kurz TTIP, inzwischen den medialen Mainstream erreicht. So kann zumindest der Anfang einer demokratischen Diskussion um die Vor- und Nachteile dieser bisher alleine von Industrievertretern hinter geschlossenen Türen vorangetriebenen Vereinbarung stattfinden.

Über dem TTIP wird jedoch ein weiteres Abkommen fast gänzlich übersehen. Die Rede ist vom CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement), dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Im Gegensatz zum TTIP ist das CETA ausverhandelt. Der EU-Kommissionspräsident Barroso und der Ministerpräsident von Kanada, Harper, sind sich einig über die Inhalte. Nun können die einzelnen EU-Staaten noch Änderungen am Vertragstext beantragen. Das allerdings ausgerechnet Deutschland das Abkommen platzen lässt, ist so gut wie ausgeschlossen. Die Bundesregierung hat es bereits intern abgenickt.

Zu erläutern, was genau das CETA beinhaltet, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Für Interessierte hat die ARD soeben einen geleakten, 521-seitigen Auszug des Vertragsentwurfes online verfügbar gemacht (dass dieser überhaupt der Geheimhaltung unterlag, ist schon ein Skandal). Ein besonderes pikantes Detail sind die Textpassagen über den Investorenschutz in Kapitel 10. Diese Paragraphen erlauben es Unternehmen, einen Staat vor extra hierfür eingerichteten Schiedsgerichten zu verklagen.

Die Idee dahinter ist erstens, Investoren ihre Investitionsentscheidungen im Ausland leichter zu machen, indem ihr Risiko minimiert wird. Sehen sie nämlich die Renditechancen ihrer Einlagen durch Gesetze und Wirtschaftspraxis eines CETA- oder TTIP-Partnerlandes unzulässig eingeschränkt, können sie dagegen vor dem erwähnten Schiedsgericht klagen. Zweitens sollen Unternehmen so vor Enteignungen innerhalb eines Landes geschützt werden.

Diese Schiedsgerichte stellen eine Farce jeder Rechtsstaatlichkeit dar. Sie bestehen nämlich lediglich aus drei spezialisierten Juristen, die jeweils Anwalt, Staatsanwalt und Mediator repräsentieren. In der Praxis werden diese im Verfahrensfall in einem geheimen (!) Verhandlungsprozess über Milliarden von Steuergeldern als Strafzahlungen entscheiden. Klingt nach Verschwörungstheorie, ist aber exakt das, was CETA und TTIP vorsehen.

Neu sind die Schiedsgerichte inzwischen auch nicht mehr. In einigen bereits in Kraft getretenen Freihandelsabkommen werden sie bereits angewandt – mit verheerenden Folgen. Interessant ist in diesem Zusammenhang etwa die Klage des Tabakgiganten Philip Morris gegen den Staat Australien.

Australien ist bisher in seinen Einschränkungen von Tabakwerbung über attraktive Verkaufsverpackungen am weitesten gegangen. Dort sollen die Glimmstengel in Zukunft nur noch in einfarbigen, nach Recyclingpapier aussehenden Verpackungen abgegeben werden dürfen, um vor allem Jugendliche vor den Marketingverlockungen durch designte Boxen zu schützen. Selbst der Markenname darf nicht mehr im Logo-Look auftreten. Hinzu kommen die sogenannten „Schockbilder“ von Tumoren und anderen Krankheiten, die ebenfalls verpflichtend auf den Packungen abgebildet sein sollen.

Für die befürchteten Folgen dieser Auflagen für seinen Umsatz fordert Philip Morris nun Schadenersatz, natürlich in Millionenhöhe. Die Argumentation lautet, dass diese Vorgaben zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung im Land noch nicht absehbar gewesen wären und der Konzern nun unter extremen Geschäftseinbußen zu leiden hätte. Genau diese Art von Klagen wird durch den CETA auch zugelassen werden.

Ich bin nicht naiv. Aber das Ausmaß an turbo-kapitalistischer Unverfrorenheit, zu der Megakonzerne wie Philip Morris in der Lage sind, erschüttert mich dennoch immer wieder. Die freie Wirtschaft ist ein Spielfeld der Risiken. Unternehmertum bedeutet, in der Lage zu sein, mit diesen Risiken zu leben, weil man eben auch für sich einfordert, die damit einher gehenden Chancen gewinnbringend zu nutzen. Der Investorenschutz führt diesen intrinsischen Aspekt des freien Marktes ad absurdum. Neoliberal agierende Großkonzerne sollen alle Chancen haben bei null Risiko und diese wirtschaftstheoretisch absurde Forderung soll von jedem einzelnen Steuerzahler finanziert werden? Wer die völlige Abwegigkeit dieses Vorschlages nicht sieht, ist willentlich blind.

Das wirklich Schlimme an diesem Konzept ist aber seine praktische Konsequenz für die Rechtsstaatlichkeit der teilnehmenden Länder und die illegitime Verzahnung von Gesundheitspolitik und wirtschaftlichen Erwägungen. Hier wird eine Paralleljustiz geschaffen, die einerseits unfassbarerweise über allen sonstigen, letzt-instanzlichen Gerichten eines Staates steht – und deren Definitionsrahmen andererseits völlig schwammig ist. Denn Unternehmen können gegen alles klagen: soeben beschlossene, aber noch nicht einmal umgesetzte Gesetze genauso wie innerhalb von vorhandenen juristischen Rahmen umgesetzte politische Maßnahmen und Gerichtsentscheidungen.

Egal wie ein Verfahren übrigens ausgeht – der Steuerzahler muss in jedem Fall blechen. Alleine die bisherigen Gerichtskosten der Klage von Vattenfall gegen den deutschen Staat aufgrund seines vermuteten Umsatzeinbruches durch den von der Bundesregierung angekündigten Atomausstieg hat jetzt schon über eine Million Euro gekostet – und die Bundesregierung schätzt die Gesamtverfahrenskosten auf über sechs Millionen.

Wie kann es da keinen Einfluss auf die Anti-Tabak-Politik eines Landes haben, wenn dieses konstant mit der Angst vor Milliardenklagen durch Tabakkonzerne steht? Und wo wird hier die Grenze bei der Definition von „schädlichen“ politischen Entscheidungen gezogen? Stellt eine pro-aktive Stärkung der E-Zigaretten (man darf ja noch träumen…) bereits eine Schwächung der Tabakwirtschaft dar? Tatsache ist: Versuchen werden die Tabakkonzerne alles. Und selbst wenn sie mit den absurden Argumentationen nicht durchkommen – zahlen wird schon für ihren Versuch jeder einzelne von uns.

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Weiterführende Links:
Tagesschau
The Wall Street Journal
Freiewelt

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