Wie wirkt Nikotin eigentlich wirklich?

Wie wirkt Nikotin eigentlich wirklich?

Nikotin – Eine Neubewertung

Teil II: Wie wirkt Nikotin eigentlich wirklich (mal ohne Ideologiefilter)?

 

Die wissenschaftliche Erforschung des Nikotin bei Inhalation, unabhängig von seinem Vorkommen im Tabak und der Wirkungen bei Verbrennung, steht noch relativ am Anfang – und das trotz der extensiven Risikoevaluierung von Nikotinersatzprodukten. Denn dass diese global relativ uneingeschränkt auf den Markt kommen konnten, ist Beweis genug, dass sämtliche diesbezüglichen Studien die relative Unschädlichkeit der Substanz für den Menschen nachgewiesen haben, solange der Nikotin nicht inhaliert wird.

Dennoch war die Perspektive auf das Nikotin bisher klar negativ. Es wurde als toxisches, psychotropes, Sucht erzeugendes Genussmittel eingestuft, dessen Einnahme tunlichst zu vermeiden ist.

Rein wissenschaftlich betrachtet (und tatsächlich jenseits jedes dampfenden Wunschdenkens) stellt sich diese Perspektive jedoch nicht nur als unhaltbar, sondern als äußerst kontraproduktiv und medizinisch-ethisch nicht länger vertretbar heraus. Nikotin-Aerosol muss als Stoff neutral neu bewertet werden.

Es darf nicht länger als das in Kaugummi- und Pflasterform geläuterte Gangmitglied betrachtet werden, mit dem man aber vorzugsweise den Umgang doch ganz vermeiden sollte – sondern als eine multidimensionale Persönlichkeit mit verschiedensten Wirkpotenzialen, die es zu explorieren gilt.

Wie wirkt Nikotin im Gehirn?

In gesunden Menschen stimuliert Nikotin die kognitive Performance und erhöht die körpereigene Resistenz gegenüber Hirnschädigungen. Dies kommt über den momentanen Effekt hinaus vor allem älteren Menschen, solchen mit Schlaganfallrisiko oder bereits erlittenem Schädel-Hirn-Trauma zugute. Viele Raucher spüren diesen Effekt merklich: Direkt nach dem Nikotinkonsum können sie klarer denken und sich besser konzentrieren.

Dies ist kein Placeboeffekt, obwohl die mit dem Dampfen oder Rauchen einhergehende Pause und Bewegung die Wirkung verstärken. Doch auch in Extremsituationen, in denen es vor allem um das Abrufen komplexer Problemlösungsstrategien geht, zeigt verabreichtes Nikotin eindeutig Wirkung, etwa bei der Notfall-Performance von Piloten in Flugzeugsimulatoren.

Nikotin: Verteidigung und Verstärker im Hirn

Unabhängig von der Art der Einnahme: Wenn Nikotin durch die Blutbahn ins Gehirn gelangt und an bestimmten Rezeptoren andockt, entsteht dadurch eine elektrische Spannung in den Neuronen. Ihr elektrochemischer Zustand verändert sich. Angeregt sind sie belastbarer. Gleichzeitig löst der Prozess die Freisetzung anderer Chemikalien aus, die wiederum eine systemische Verkettung von Ereignissen bedingen, die das komplette chemische Umfeld des Gehirns verändern.

Nikotin: Verteidigung und Verstärker im Hirn

Nikotin hat also die spezifische Eigenschaft, neuroprotektiv zu wirken. Dies lässt sich auch statistisch nachweisen: Raucher haben, abgesehen von der tabakinduzierten, erhöhten Wahrscheinlichkeit, fatal zu erkranken, dennoch ein signifikant reduziertes Risiko, an Parkinson oder Alzheimer zu leiden als Nichtraucher. Woran dieser Schutzmechanismus genau liegt, ist noch nicht ganz klar. Eine Vermutung ist, dass das Nikotin die Bildung bestimmter schädigender Stoffe (etwa reaktiver oxidativer Species (ROS) wie Wasserstoffperoxid und Superoxidanion) verhindert. Diese Neurotoxine lösen zum Beispiel Schwellungen im Gehirn aus.

Darüber hinaus hat Nikotin eine weiteres faszinierendes Attribut: Es wirkt wie ein großer Verstärker, der mitten im Gehirn aufgestellt wird und eventuell zu leise Reize verstärkt. Dies erklärt auch seine an sich paradoxe Wirkung, gleichzeitig wach zu machen und zu beruhigen. Es ist quasi eine systemische Substanz, die vorhandene Defizite „versteht“ und ausgleicht.

 

Nikotin als Therapeut

In einem pathologisch veränderten Gehirn zeigt sich dieser Ausgleichs-Effekt besonders deutlich. Im Fall vieler Erkrankungen wie Schizophrenie, Alzheimer oder Schädel-Hirn-Traumata etwa werden bestimmte Rezeptoren generell nicht mehr ausreichend angesprochen und können ihre Auslösefunktion nicht länger erfüllen. Dadurch wird die normale Hirnfunktion erheblich eingeschränkt. Es sind eben diese Rezeptoren, die auf Nikotin ansprechen. Hier könnte der Stoff als Defizitkompensator eingesetzt werden – also eine Funktion aufrecht erhalten, die der Körper nicht mehr vollständig selber leisten kann.

Parkinson

Die Parkinson-Krankheit ist zum Beispiel durch einen zunehmenden Abfall der Dopamin-Neuronen gekennzeichnet. Nikotin kann die noch vorhandenen Neuronen überproportional stimulieren und sogar vom weiteren Absterben abhalten – dies allerdings erst ab einer hohen Dosis, die Nebeneffekte wie Übelkeit verursachen kann. Diese leichten Vergiftungssymptome können mit anderen Medikamenten gut behandelt werden und unterscheiden sich weder in Schwere noch Häufigkeit von den Nebenwirkungen anderer Medikamente.

Früher wurden diese Wirkungen als extrem toxisch eingestuft – und auch heute noch gern so dargestellt. Tatsächlich ist inzwischen bekannt, dass Nikotin erst ab einer sehr viel höheren Dosis als zuvor angenommen tödlich sei kann. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass diese Dosis bei etwa 1500 mg liegt, im Gegensatz zu den mehr als ein Jahrhundert lang behaupteten 30-60 mg.

Tourette-Syndrom

Auch das Tourette-Syndrom könnte mit Nikotin gut behandelbar sein, wie Tierversuche ergeben haben. Dabei handelt es sich um eine genetische Störung der Basalganglien des Großhirns. Diese wird bisher mit dopaminergen Rezeptorantagonisten behandelt, wie etwa dem anti-psychotischen Neuroleptikum Haloperidol – allerdings ebenfalls unter teils signifikanten Nebenwirkungen, die bei der Nikotinbehandlung nicht beobachtet wurden.

ADHD

Ebenfalls vielversprechend sehen die Ergebnisse bei jungen Menschen mit ADHD (Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom) aus. Dort führt die Nikotinvergabe zu einer abnehmenden Unruhe, Impulsivität, Reizbarkeit und Konzentrationsproblemen und steigerte die Fähigkeit zur Entscheidungsfindung.

Schizophrenie und Depression

Faszinierender Weise behandeln sich viele Patienten vor allem mit Schizophrenie und Depressionen bereits bewusst oder unbewusst selbst mit Nikotin. Eine Vielzahl an Untersuchungen beobachtet eine wesentlich höhere Anzahl von Rauchern bei psychiatrisch behandelten Erkrankungen. Mehr als 80% aller schizophrenen Patienten rauchen. Lange ging man davon aus, dass dies vor allem im Fall von Depressionen auf die antidepressive Wirkung von im Tabak vorhandenen Antidepressivum Monoamin-Oxidase B (MAO) zurückzuführen sei. Inzwischen vermuten Forscher, dass auch eine reine Nikotinbehandlung wirksam sein könnte.

Schmerz

Tierversuche haben eindeutig erwiesen, dass Nikotin positiv schmerzstillend wirkt. Die Erfahrung von Rauchern und Nichtrauchern bestätigt dies. Auch an Menschen konnte dieser Effekt im therapeutischen Umfeld aufgezeigt werden. Starke Schmerzen nach Operationen wurden mit einer Nikotingabe (3 mg mit Nasenspray vor dem Erwachen aus der Narkose) signifikant reduziert. Das wiederum konte die Abgabe von suchterzeugenden Morphinpräparaten deutlich verringern. Nikotin erhöhte in der verabreichten Dosis weder Blutdruck noch Herzfrequenz. Verantwortlich für diesen Effekt sind endogene Opioide, die sich vom Präproenkephalin ableiten und gemeinsam mit dem Nikotin wirken.

Wie wirkt Nikotin im Rest des Körpers?

Nikotinbindende Rezeptoren sind über den ganzen Körper verteilt. Sie alle haben spezifische Funktionen. Zwar dockt der Stoff bevorzugt im Hirn an, wo er bereits sieben Sekunden nach Ihalation ankommt. Steht dem Körper relativ wenig Nikotin zur Verfügung, bleibt es auch dabei. Sind jedoch alle Hiern-Rezeptoren besetzt, werde unter anderem die Rezeptoren der Muskeln belegt. Dort kann die Substanz unerwünschte Effekte auslösen: von Muskelzucken bis zu Muskellähmung und Atemaussetzen.

Wie wirkt Nikotin im Rest des Körpers?

Südamerikanische Schamanen haben sich diesen Effekt des Nikotins viele Jahrtausende zunutze gemacht, um den sogenannten „symbolischen Tod“ zu simulieren. Sie führten bei sich selbst eine akute Nikotinvergiftung herbei, die zu einem katatonischen Stadium führte – das allerdings nur kurz anhielt (daher „symbolisch“), denn das Nikotin wird vom Körper sehr schnell ausgeschieden. Zu vermehrten Todesfällen kam es dabei offensichtlich nicht. Dennoch sollte der interessierte Dampfer dies keinesfalls zuhause ausprobieren: Die benötigte Dosis war sorgfältig austariert und wurde über Generationen von Heilern weitergegeben.

Dass es bei ausreichender Aufnahme von Nikotin zu einer akuten Vergiftung kommen kann, ist unbestritten. Die Symptome hierfür sind Übelkeit, vermehrter Speichelfluss, Bauchschmerzen, Durchfall, Schweißausbrüche, Kopfschmerzen, Schwindel, Hörstörungen und Mattigkeit, schneller Blutdruckabfall, schwacher und unregelmäßiger Puls, Atemschwierigkeiten, Erschöpfungszustände, Kreislaufkollaps und generalisierte Krampfanfällen. Viele dieser Symptome zeigen sich auch bei akuter Koffeinintoxikation.

Bei regulärem Nikotinkonsum passiert im Organismus akut, also zum Zeitpunkt der Inhalation, nicht wirklich viel. Der Blutdruck erhöht sich leicht. Die Pulsfrequenz und auch der Sauerstoffbedarf des Herzmuskels (Myokard) steigen ebenfalls. Gleichzeitig wird die Durchblutung des Herzmuskels durch Konstriktion der Koronargefäße reduziert. Sehr ähnliche Effekte zeigen sich bei sportlicher Betätigung; sie können vom Körper ohne nachweisbare Schäden weggesteckt werden.

 

Nikotin: Freund und Feind der Pharmaindustrie

Einerseits bedeutet reines Nikotin für die Pharmaindustrie in Form von Tabakentwöhnungsprodukten wie Nikotinkaugummis und Pflastern eine milliardenschwere Einnahmequelle. Nichts wäre den Medikamentenherstellern lieber, als wenn die E-Zigarette weltweit zum Medikament erklärt würde. Denn dann würden die Einführungshürden für die einzelnen Präparate so hoch, dass kleinere Unternehmen sich weder die Entwicklung noch die Tests leisten könnten. In Deutschland ist dieser Entwicklung glücklicherweise ein juristischer Riegel vorgeschoben worden.

Andererseits erzittert die Pharmaindustrie vor dem therapeutischen Potenzial der Substanz. Obwohl sich das Nikotin in Tierversuchen und auch bei kontrollierten Studien an Menschen in den letzten fünfzehn Jahren als offensichtlich vielversprechend zur Behandlung neurodegenerativer oder anderer Hirn-Erkrankungen herausgestellt hat, zeigt die Medikamenten-Konzerne weltweit Null Interesse, Forschungen auf diesem Gebiet zu finanzieren.

Warum, ist klar – es ließe sich viel weniger damit verdienen als mit ihren bereits auf dem Markt befindlichen Medikamenten, die damit zudem gefährliche Konkurrenz bekommen würden. Denn viele Tierversuche zeigen, dass Nikotinbehandlungen bei gleicher Wirksamkeit viel weniger Nebenwirkungen nach sich ziehen als gegenwärtig verschriebene Mittel.

Forscher stoßen bei Finanzierungsbemühen für ihre Studien allerdings nicht nur auf den Widerstand der Pharmaindustrie, sondern auch auf die ideologischen Vorurteile von Kollegen und Gesundheitsinstitutionen – die Nikotin weiterhin mit Tabak gleichsetzen.

Dabei hätten die Gesundheitsorganisationen und die WHO (die nun langsame erste Trippelschritte in diese Richtung macht) eine ethische Verpflichtung, die Wirksamkeit von Nikotin bei so chronisch unzureichend behandelbare Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Alzheimer, früher und fortschreitender Altersdemenz, Huntingtonsche Krankheit, Tourette-Syndrom und dem Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätssyndrom bei Jugendlichen und Erwachsenen extensiv zu testen.

Also auf zur Selbstmedikation mit Nikotin?

Natürlich ist an dieser Stelle von jedweden Experimenten mit reinem Nikotin oder hochdosierten Basen abzuraten. Ebenso würden wir gesteinigt ob einer Empfehlung, bei einer der oben erwähnten Erkrankungen mit dem Konsum von E-Zigaretten anzufangen, wenn vorher kein Tabakkonsum vorlag.

Andererseits werden Pflegende oder Angehörige von Patienten nur extrem selten auf die potenziellen Vorteile des Dampfens im Vergleich zum Rauchen hingewiesen. In vielen Fällen versucht eine wohlmeinende Umgebung richtigerweise, sowieso schon Erkrankte vom weiterem Rauchen abzuhalten. Dies kann allerdings Krankheiten wie Depressionen oder Schizophrenie physisch wie psychisch verschlimmern und etwa bei Alzheimer-Patienten das Gefühl der zunehmenden „Enteignung“ und den Verlust der Selbstbestimmung noch verstärken.

E-Zigaretten könnten hier tatsächlich eine gangbare Lösung darstellen – die etwa in England schon in diversen Einrichtungen erfolgreich praktiziert wird. Es wäre interessant zu beobachten, wie sich in „dampfenden“ Pflegeeinrichtungen der Verlauf leichterer Formen kognitiver Einschränkung
als Vorstufe der Altersdemenz entwickeln würde.
Sollte der Versuch nicht gelingen, so bliebe dies folgenlos: In keiner der bekannten Studien ist es bisher zu akut gefährlichen Entzugs-Erscheinungen nach dem Absetzen des Nikotins gekommen.

Apropos Entzug…

Macht Nikotin eigentlich wirklich süchtig?

Macht Nikotin eigentlich wirklich süchtig?

Es gibt keinen klinischen Versuch an Menschen, der das Suchtpotenzial von reinem Nikotin nachgewiesen hätte. Jede einzelne klinische Studie, bei der Nichtrauchern ohne vorherigen Tabakkonsum über einen Zeitraum von bis zu neun Monaten hochdosiertes Nikotin verabreicht wurde, hat keinerlei Entzugssymptome nach Absetzen beobachten können. Kein einziger der Teilnehmer hat im Anschluss an die Studie den Konsum von Nikotin durchs Dampfen oder Rauchen aufgenommen.
Ebenfalls wurde noch bei keiner Untersuchung über Dampfgewohnheiten weltweit beobachtet, dass Dampfer die Stärke in ihren Liquids mit der Zeit erhöht hätten – im Gegenteil. Obwohl die Menge an Nikotin, die dem Dampfer durch die E-Zigarette zur Verfügung steht, geringer ist als die, die durch die Zigarette freigesetzt wird, reduzieren mehr als 80% aller Dampfer den Nikotingehalt ihrer Liquids innerhalb der ersten Monate nach Umstieg – oft bis auf Null.

Alles deutet daraufhin, dass Nikotin nicht körperlich abhängig macht – wie etwa Alkohol oder raffinierter Industriezucker, bei deren Absetzen deutliche Entzugserscheinungen beobachtbar sind.

Die psychische Abhängigkeit ist ein anderes Thema. Es ist ein noch nicht zur Gänze durchleuchtetes Phänomen, dass jeder Zug an einer Tabakzigarette – und glücklicherweise auch an einer E-Zigarette – das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert. Dieser scheint eine Kombiation aus
dem „sensorischen Genuss (sensory reward)“ zu sein, der direkt durch die zentralnervös stimulierenden Nikotineffekte ausgelöst wird, sowie dem „pharmakologischen Genuss (pharmacological reward)“, der durch die Erregung nikotinischer Acetylcholinrezeptoren (nACh)entsteht. Diese sind für die Ausschüttung von Neurotransmittern, den sogenannten Glückshormonen Dopamin, Noradrenalin, Serotonin, ß-Endorphin, Acetylcholin und Vasopressin zuständig. Die essenzielle Frage ist hierbei: Ist die Befriedigung eines Genussbedürfnisses gleich eine Sucht?

Das Entscheidende: Nikotin muss differenziert betrachtet werden

Das Entscheidende: Nikotin muss differenziert betrachtet werden

 

„Alle Dinge sind Gift und nichts ohn’ Gift;
allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“
Paracelsus

 

 

 

Sicher ist: Nikotin ist ein natürlicher Stoff, der eine komplexe und nachweisbare Wirkung auf den menschlichen Organismus hat. Er interagiert mit verschiedenen Systemen des Körpers auf unterschiedliche Weise und kann dabei sowohl präventiv als auch therapeutisch positiv wirken.

Entscheidend ist dabei die Dosierung. Die meisten toxischen Prozesse, mit denen Nikotin in Verbindung gebracht wird, treten erst bei einer extrem hohen Einmaldosierung auf. So werden die meisten in vitro (also im Labor an Zellkulturen) nachgewiesenen Wirkungen erst bei unrealistisch
hohen Nikotinkonzentrationen oder in Modellen erreicht, deren Übertragbarkeit auf den Menschen nicht zuverlässig behauptet werden können.

Ein Beispiel: Skeptiker führen an, dass Nikotin die Differenzierung von Fibroblasten zu Myofibroblasten hemmt, die zur Wundheilung erforderlich ist. Das könnte zum Beispiel das natürlich ungewollte Fortschreiten von Paradontose fördern. Allerdings musste, um diesen Effekt in vitro zu erzielen, m Labor eine extrem hohe Nikotinkonzentration auf die Zellen aufgebracht werden. Entscheidend wäre nun also, ob die hohe Anreicherung von Nikotin im Speichel und eventuell zusätzlich im sauren entzündeten Gewebe diese hohe Konzentration erreicht.

Mit anderen Worten: Mehr und objektive Studien zur Wirkung spezifischer Nikotinkonzentration auf spezifische Körpersysteme des Menschen sind in Zukunft dringend notwendig.

 

Weiterführende Links
Teil 1: Warum die E-Zigaretten-Debatte ein Scheingefecht ist
Workshop
Bonnie Herzog’s Prognose
Studie zur Nikotinabhängigkeit
How much nicotine kills a human
Weitere Themen
Interview mit dem Verband des eZigarettenhandels
Die Schweiz oder: Wenn Kompetenz regulieren würde
ebay: Zigaretten ja, E-Zigaretten nein

8 Kommentare
  1. Monika K. sagte:

    Im Dampfershop wurde mir erklärt, dass das Nikotin im Liquid aus Mais besteht und deshalb nicht gefäßverengend wirkt. Kann mir das jemand bestätigen??Ich verwende zwar nur Liquid mit 3mg Nikotin, aber es darf sich auf keinen Fall verengend bei mir auswirken.
    Bitte um rasche Antwort, wenn möglich. Danke!!!

  2. Zoe sagte:

    Hallo Herr Mayer,

    ich verstehe Ihre ablehnende Haltung nicht ganz. Sie sprechen von einer „ausdrücklichen Ermunterung“ zum Konsum von Nikotin; der Artikel rät aber doch deutlich davon ab, mit Nikotin zu „experimentieren“ – und dass in jedem Fall besser für jeden Menschen ist, zum Dampfen statt dem Rauchen motiviert zu werden, ist doch wohl klar?!

    Sie schreiben außerdem, dass „die schädliche Wirkung (i) von Nikotin plausibel ist, (ii) durch Studien unterstützt wird, und (iii) nur vereinzelte fragwürdige Studien auf einen protektiven Effekt von Nikotin hinweisen.“ Wie argumentieren Sie diese „Plausibilität“? Und „schädlich“ inwiefern?

    Eine langfristige Schädlichkeit reinen Nikotins durch Inhalation auf den menschlichen Organismus ist durch keine einzige mir bekannte Studie schlüssig nachgewiesen worden; nach Jahrzehnten der Verabreichung von Nikotinersatzprodukten sind bei den Konsumenten keinerlei „schädliche Wirkungen“ aufgetreten; gleiches gilt für alle Studien, bei denen Nichtrauchern Nikotin über einen längeren Zeitraum verabreicht wurde. Wie Sie selber sagen, sind Tierversuche in dieser Hinsicht nicht aussagekräftig, da eine Analogie zum menschlichen Organismus nicht schlüssig nacheisbar ist. Sociel zur Schädlichkeit (und nein, ich arbeite nicht für die Pharmaindustrie).

    Alle mir bekannten Studien zum protektiven Effekt von Nikotin sind keinesfalls „fragwürdig“ (wie auch immer diese Eigenschaft definiert wird), wenn auch natürlich in vielen Fälle spekulativ – ähnlich wie es eingangs der Fall war, als Cannabis als Schmerztherapeutikum diskutiert wurde. Die Analyse neuer Wirkstoffe durchläuft immer diese spekulative Phase; das ist unumgänglich. Allerdings ist es nicht korrekt, dass die bisherigen Studien wenig vielversprechend sind. Sollten die Autoren des Textes Ihrem Wunsch nicht nachkommen, entsprechende Quellen zu listen, würde ich das tun – zumindest, wenn es um den Beleg möglichen Behandlungspotenzials von neuronalen und neurodegenerativen Krankheiten mit Nikotin geht.

    • Bernd Mayer sagte:

      @user unknown: Der gefäßverengende Effekt von Nikotin ist bei Gesunden unproblematisch, kann aber bestehende Erkrankungen der Blutgefäße, wie z.B. koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt, oder eben ischämischen Insult („Schlaganfall“) verschlechtern. Und es gibt auch einige tierexperimentelle Studien, die auf einen negativen Effekt von Nikotin hinweisen.
      z.B.: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25925411, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21239632, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19889792

      Ob die für den Menschen relevant sind, weiß niemand. Nachdem die schädliche Wirkung (i) plausibel ist, (ii) durch Studien unterstützt wird, und (iii) nur vereinzelte fragwürdige Studien auf einen protektiven Effekt von Nikotin hinweisen, gehört der ischämische Insult meines Erachtens zu jenen Zuständen bzw. Vorerkrankungen, bei denen man sich den Konsum von Nikotin gut überlegen sollte. Die ausdrückliche Ermunterung dazu ist wie gesagt hochgradig irreführend und potentiell gefährlich. Davon unbenommen bleibt, dass man rauchenden Schlaganfallpatienten den Umstieg auf (wenn notwendig auch nikotinhaltige) E-Zigaretten empfehlen sollte.

      @Andy: In jeder zweiten Zeile des Artikels steht Unsinn. Ich habe weder Zeit noch Muße, mich mit einem derartig schlecht recherchierten Text weiter zu beschäftigen. Es wäre wohl eher Aufgabe der Autoren, ihre Quellen zu überprüfen und offen zu legen, damit wenigstens klar wäre, wo sie das alles abgeschrieben haben. Einige wenige Beispiele für Quatsch wären, dass Nikotin zuerst im Gehirn wirkt und erst wenn dort die Rezeptoren „voll“ sind auch in der Peripherie, dass es an Nervenzellen eine „Spannung“ erzeugt (in Wirklichkeit wird das Membranpotential etwas verringert), dass es auf die Skelettmuskulatur wirkt (was es aber nicht tut, weil dort ein Subtyp nikotinerger Acetylcholinrezeptoren mit extrem niedriger Affinität für Nikotin exprimiert ist), dass Sauerstoffradikale (die in unseren Zellen permanent produziert werden) eine „Gehirnschwellung“ verursachen, dass Nikotin „leise Reize“ (???) im Gehirn verstärkt u.v.a.

      Beim therapeutischen Potential von Nikotin zur Therapie von M. Alzheimer, M. Parkinson usw. wurde geflissentlich ignoriert, dass die bisherigen Studien wenig vielversprechend sind. Diese Art von „cherry picking“ kenne ich sonst nur von der Gegenseite.

      • user unknown sagte:

        Vielen Dank.
        Ohne das im Detail beurteilen zu können klingt es für mich plausibel und begründet.

        Ich kann damit bedeutend mehr anfangen als mit dem bloßen Schlagwort zuvor.

  3. Hans Schmidt sagte:

    Euer Artikel enthält Wahrheiten, Halbwahrheiten und krasse Falschaussagen. Das alles auseinanderzudröseln tu ich mir nicht an. Recherchiert das nächste Mal ein wenig länger …

  4. Bernd Mayer sagte:

    Ich mache niemandem einen Vorwurf, wenn er sich in Neurobiologie und Pharmakologie nicht auskennt. Schlimm wird es nur, wenn man es selbst nicht merkt und den Erklärbären spielen möchte, ohne auch nur eine Spur von Ahnung zu haben. Ich erkläre auch niemandem, wie man Hängebrücken konstruiert.

    Dieser Artikel strotz von so vielen Unsinnigkeiten, dass es mir zu mühsam ist, diese aufzulisten. Ich möchte nur den Lesern dieses Blogs nahelegen, die Ausführungen über die angeblichen Wirkungen von Nikotin zu ignorieren. Leuten mit überstandenem Schlaganfall Nikotin zu empfehlen halte ich übrigens für grob fahrlässig bis hin zu gemeingefährlich.

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