Tabakmulti Philip Morris könnte EU-Tabakrichtlinie kippen

Tabakmulti Philip Morris könnte EU-Tabakrichtlinie kippen

Philip Morris und Totally Wicked könnten die EU-Tabakrichtlinie kippen

Für E-Zigaretten-Hersteller und Dampfer bringt die neue europäische Tabakrichtlinie eine Reihe unschöner Einschränkungen mit sich, die im Kern so unlogisch wie gesundheitspolitisch kontraproduktiv sind. Dennoch ist es für unabhängige eCig-Produzenten fast unmöglich, etwas dagegen zu unternehmen. Zwar stünde grundsätzlich jedem von ihnen der juristische Weg offen, jedoch hat bis dato nur „Totally Wicked“ den Schritt getan um jahrelang gegen die EU zu prozessieren. Es ist deshalb einerseits begrüßenswert, andererseits extrem ambivalent, dass der größte Zigarettenmulti, Philip Morris, nun mit einer Klage gegen die Tabakrichtlinie vor den Europäischen Gerichtshof zieht. Wie alle anderen Zigarettenfirmen ist natürlich auch der Marlboro-Hersteller von den gerade ausgehandelten, neuen Regulierungen empfindlichst getroffen.

Die Zigarettenhersteller fürchten vor allem die hässlichen Einheitsverpackungen

Vor allem eine Vorgabe stößt den Tabakfirmen sauer auf: die neutrale, standardisierte Einheitsverpackung, auf der noch größere Warnhinweise als bisher sowie explizite Abbildungen von krebsbefallenen Organen und anderen tabakinduzierten Krankheiten abgebildet werden sollen. Gleichzeitig sollen die Hersteller keine Logos und Werbebotschaften auf den Boxen mehr abbilden dürfen – jedenfalls, wenn ein Mitgliedsland dies so beschließt.

In Australien gibt es das ‚Plain Packaging‘ bereits seit 2012. England und Irland haben seine Einführung bereits vorbereitet. Auch Frankreich kündigte ein diesbezügliches Gesetz an. Nun behauptet Philip Morris, dass diese Vorgaben ein illegales Handelshemmnis seien. Die Argumentation lautet, dass sich auch die Tabakrichtlinie bestehenden Verträgen zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten unterzuordnen habe. Diese aber sehen grundsätzlich eine freie Verbraucherwahl, einen freien Warenverkehr und einen fairen, umsetzbaren Wettbewerb sowie den Schutz von geistigen Eigentumsrechten vor. Diese Prinzipien sieht PM von der Tabakrichtlinie unterlaufen – und spricht der EU gänzlich die Zuständigkeit für den Zigarettenhandel ab.

Der Marlboro-Hersteller lässt großflächig die Muskeln spielen

Im Juni hatte das Unternehmen deshalb zum frühest möglichen Zeitpunkt vor einem britischen Gericht die entsprechenden Klagepapiere abgegeben. Das lag nicht nur an dem in England einzigartigen Rechtssystem, das eine Klage gegen Gegenstände von EU-Vorgaben noch vor deren Ratifizierung durch die einzelnen Mitgliedsländer zulässt. Es ist auch ein Signal an die britische Regierung, die mit einer noch wesentlich strengeren Tabakpolitik droht, als es die reine Ratifizierung der EU-Maßnahmen notwendig machen müsste. Neben der EU-Klage hat Philip Morris der britischen Regierung bereits klar kommuniziert, auch sie im Falle einer Einführung vor Gericht zu ziehen. In Australien steht gegen Philip Morris bereits vor einem der ominösen Internationalen Schiedsgerichte.

Das englische Gericht hält die Klage für zulässig und prüfungswürdig. Dies macht es für Philip Morris überhaupt erst möglich, damit vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu gehen. Die Auswirkungen der Klage sind noch nicht absehbar – genauso wenig wie deren Erfolgsaussichten. Im schlimmsten Fall für die EU könnte die ganze Richtlinie hinfällig werden, so der Europäische Gerichtshof die Vorwürfe insgesamt als gerechtfertigt beurteilt. Aber auch punktuelle Veränderungen einzelner Paragraphen sowie eine komplette Neuverhandlung sind denkbar – ebenso wie eine völlige Ablehnung aller Klagepunkte natürlich.

Welche Konsequenzen hat die Verzögerung für den eCigarette-Markt?

Was Philip Morris in jedem Fall erreicht, ist eine erhebliche Verzögerung in der Umsetzung der beschlossenen Schritte. Die Implementierung der Vorgaben wird so nach einer schon jahrelangen Verhandlungsphase nochmals um mindestens zwei Jahre nach hinten verzögert. Für Philip Morris bedeutet jeder Monat, in dem der Konzern weiter machen kann wie bisher, Millionenumsätze  – daher lohnt sich der Aufwand auch bei minimalen tatsächlichen Erfolgsaussichten.

Lässt sich dasselbe über den E-Zigarettenmarkt sagen? Im Prinzip natürlich schon. Die Verzögerung spart den Herstellern viel Geld, das sonst in eine angepasste Fertigung und Verpackung gesteckt werden müsste und erlaubt es ihnen gleichzeitig, weiterhin innovative und individuelle Produkte auf den Markt zu bringen, die mehr Rauchern zu Dampfern machen und Dampfer an vorhandene Marken binden.

Gleichzeitig aber bedeutet dieser Aufschub auch, dass die wohlhabenden Tabakmultis mehr Zeit haben, in den noch relativ unregulierten E-Zigaretten-Markt immer weiter vorzudringen und sich einen nicht mehr einholbaren Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf Werbung und Marketing zum sogenannten Brand-Building, also dem Aufbau von Vertrauen in eine Marke und ihr Image.

Käme danach dann die Tabakvorordnung in ihrer jetzigen Form auf den Markt, würde dies eine schnelle und radikale Homogenisierung des E-Zigarettenangebotes, der Geräte und Liquids nach sich ziehen. Die jetzigen Alleinstellungsmerkmale der unterschiedlichen Modelle und Marken würden in vieler Hinsicht nivelliert. Es steht zu befürchten, dass die Kaufentscheidungsprozesse sich dann an gekannten und meist kommunizierten Marken orientieren könnten – und diese zu etablieren, haben die Tabakmultis mit ihren hochbudgetierten Marketingabteilungen jetzt einfach mehr Zeit.

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2 Kommentare
  1. Marcus Agrippa sagte:

    Als eZig-Hersteller habt ihr durchaus die ausgesprochen aussichtsreiche Möglichkeit, gegen das Tabakgesetz vorzugehen, allerdings erst, wenn es Gesetzeskraft hat. Die Elemente für eure Klage haben euch das VG Köln und das OVG Münster geliefert.
    Die einzelnen Punkte des Urteils habe ich in folgendem Beitrag aufgelistet:

    http://e-wolke.blog.de/2014/11/07/pythia-poela-dkfz-bfr-b-steffens-vg-koeln-eigenen-demontage-helfen-19679043/

    Zusammengefasst:

    http://e-wolke.blog.de/2014/11/19/aenderungsvorschlaege-erwuenscht-plakat-flyerentwurf-19732108/

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