Ist Nikotin krebserregend?

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ist nikotin krebserregend

Verursacht Nikotin Krebs?

Die vielleicht wichtigste Frage der E-Zigaretten-Diskussion ist diese: „Wie schädlich ist reines Nikotin, wenn es, befreit von allen Zusatzstoffen, verdampft und inhaliert wird?“ Sollte sich
herausstellen, dass es als Nervengift (das es erwiesenermaßen nun mal ist) auch nicht viel schädlicher ist als das ebenfalls im Gehirn wirkende Koffein, wäre einem grundsätzlichen Verbot der elektrischen Zigaretten der argumentative Boden unter den Füßen weggezogen.

Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass dem nicht so ist. Diese kommen aus verschiedenen Forschungsrichtungen. Neurologische Untersuchungen, allen voran eine seit 2009 von Wissenschaftlern an der Brown University in Providence (US-Bundesstaat Rhode Island) voran getriebene, weist auf die Problematik der von Nikotin in Beschlag genommenen Rezeptoren im Hirn hin. Diese werden neben dem Nikotin auch noch von mehr als 50 anderen, lebenswichtigen Proteinen genutzt, die für Stoffwechselprozesse, biochemische Abläufe und die Signalübertragung zwischen Nervenzellen entscheidend sind. Werden diese vom bereits angedockten Nikotin daran gehindert, über den Rezeptor zu wirken, kann dies unter Umständen schwer wiegende Folgen auf den Neurotransmitterhaushalt, das Immunsystem und viele Körperfunktionen haben.

Noch entscheidender ist allerdings die Frage, ob Nikotin Krebs auslösen kann oder die Neigung zu und das Wachstum von vorhandenen Tumoren noch stärkt – also quasi eine Unterteilung in eine direkte und eine passiv karzinoge Wirkung. Dr. Martina Pötschke-Langer, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg, spricht sich vehement für die Wahrscheinlichkeit aus, dass Nikotin Krebs tatsächlich auslöst. Es muss hinzugefügt werden, dass Dr. Pötschke-Langer generell eine der kritischsten Stimmen ist, wenn es um die Akzeptanz von E-Zigaretten als Rauchentwöhnungsmittel geht.

Eines ihrer herausragenden Argumente ist, dass E-Zigaretten völlig ungeachtet ihrer Wirkung immer noch das Rauchritual fortsetzen und so eine grundsätzliche, radikale Beendigung des Suchtverhaltens erschweren. Gleichzeitig argumentiert sie gerne damit, dass es zu wenig und wenn, dann nur mangelhafte Studien zur Effektivität von eCigarettes als Rauchentwöhner gibt – ohne jedoch jemals ihre zu vor behauptete, psychologische Argumentation wissenschaftlich untermauert zu haben.

Dennoch lassen sich Pötschke-Langers Ansichten hinsichtlich der karzinogenen Wirkung von Nikotin nicht einfach in die gleiche Schublade stecken, in die ihre sonstigen Anti-E-Zigaretten Polemik vielleicht passen würde. Denn sie werden auch von anderen Ärzten und Forschern gestützt. Vor allem zwischen Tumorwachstum und Nikotin wird häufig ein Zusammenhang vermutet. Dies gründet sich vor allem in der Annahme, dass Nikotin die Zellvermehrung fördert – und zwar insbesondere die von Krebszellen, speziell Lungenkarzinomzellen.

Zusätzlich sollen diese durch Nikotinversorgung noch widerstandsfähiger gegen Chemotherapeutika werden. Bereits seit 2003 wird vermutet, dass Nikotin sowie seine im Stoffwechsel entstehenden Abbauprodukte in kürzester Zeit einen Mechanismus aktivieren, der die sogenannte Apoptose, also den programmierten Zelltod verhindert. Unkontrolliert wachsende Krebszellen können so auch bei gleichzeitig stattfindender Chemotherapie nicht mehr gezielt absterben; das Entstehen von Krebs wird befördert. Allerdings zeigen die entsprechenden Studien diese Tendenz nur bei bestimmten und nicht allen Zellarten auf.

2009 kamen Forscher in Florida zusätzlich zu dem Ergebnis, dass Nikotin die Metastasenbildung fördert. Beobachtet wurde dies bei Tests an krebskranken Mäusen, denen Nikotin über Pflaster und Direktinjektion verabreicht wurde. Die Tagesdosis war dabei im Vergleich drei bis fünf mal so hoch wie bei Menschen mit Nikotinplaster. Durchgängig wuchsen Tumore schneller und es bildeten sich mehr Metastasen als bei der s ohne Nikotineinnahme. Die Tumore der Mäuse mit Nikotinpflaster vergrößerten sich doppelt so schnell, die der Tiere mit einer Injektion sogar in fünffacher Geschwindigkeit. Bei den Nikotinmäusen tauchten auch nach der operativen Tumorentfernung ungefähr viermal mehr Metastasen auf wie in nikotinfreien Vergleichsgruppen.

Hinsichtlich der Frage, ob Nikotin Krebs auslösen kann, kommen alle involvierten Wissenschaftler allerdings zum gleichen Ergebnis, wie etwa exemplarisch die des amerikanischen National Cancer Institute (NCI) in 2011. Dessen Wissenschaftler hatten ebenfalls Mäuse getestet. Diese allerdings bekamen eine Dosis Nikotin, die direkt der Nikotinabgabemenge eines tatsächlichen Nikotinpflasters beim Menschen vergleichbar war. Diese Mäuse erkrankten im Zeitraum der Nikotinabgabe nicht. Nikotin scheint also keine signifikante direkte Krebsursache zu sein, auch wenn entsprechende Testergebnisse sich immer nur auf den Mäuse-Organismus beziehen. Für Menschen liegen schlicht keine Daten vor. Allerdings sind sich so gut wie alle Ärzte einig, dass das Risiko, bei einem kontinuierlichen Tabakzigarettenrauchen an Krebs zu erkranken, in keinem Fall zu vergleichen mit der rein spekulativen Möglichkeit, das Gleiche könnte bei der Zufuhr reinen Nikotins geschehen.

Zusammenfassend lässt sich wohl sagen: Es stellt in jedem Fall ein Risiko dar, bei einer bereits erfolgten Krebserkrankung und während der nachfolgenden Jahre Nikotin zu konsumieren, ob nun durch Dampfen oder durch andere Methoden. Hingegen ist die krebserregende Wirkung von reinem Nikotin gänzlich unbewiesen, wenn auch bei in vitro Experimenten nachgewiesen werden konnte, dass Nikotin eine sogenannte mutagene Wirkung auf bestimmte Zelltypen haben kann; damit sind externe Einwirkungen gemeint, die Zellmutationen oder Chromosomenaberrationen auslösen können. In den Laborexperimenten hat Nikotin scheinbar oxidativen Stress in humanen Speicheldrüsenzellen ausgelöst. Dennoch. Der Vergleich zwischen potenziell zell-veränderndem Nikotin und definitiv Krebs auslösenden E-Zigaretten hinkt gewaltig – weshalb im Zweifel die Wahl immer auf Ersteres fallen sollte.

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