Eine Milliarde kostet die Tabak-Richtlinie

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Eine Milliarde Euro kostet die neue EU Tabak-Richtlinie

Eine Milliarde kostet die Tabak-Richtlinie

Bürokratiewahn statt Gesundheitsförderung: Die neue Tabakrichtlinie der EU wird eine Milliarde Euro reine Bürokratiegelder schlucken

Seit der Verabschiedung der neuen Tabak-Richlinie der EU (2014/40/EU), veröffentlicht am
29. April 2014, haben die Mitgliedsländer nun zwei Jahre Zeit, diese in die eigene Gesetzgebung zu integrieren. Wer mal das deutsche BGB in der Hand gewogen und diese dabei mit dem anderen Arm abgestützt hat, ahnt um die Schwerkraft dieses Satzes. Aber hier geht es nicht nur um die nationale Ratifizierung, sondern auch um die reinen Bürokratiekosten, die die nun umzusetzenden Neuregelungen verursachen werden.

Nach Schätzungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) werden diese deutsche Unternehmen zum Einstand 106,5 Millionen Euro kosten. Danach fallen weitere jährliche Kosten von 111,2 Millionen Euro an, die direkt oder indirekt durch die Verordnung bedingt sind. Diese lassen sich realistisch hochrechnen auf die nächsten zehn Jahre – denn erst dann werden Erfolg oder Scheitern der Regelung wieder durch die EU geprüft. Macht also summa sumarum eine Kostenentwicklung nur zur Informationsbeschaffung und Weiterleitung von 1,2 Milliarden Euro innerhalb der nächsten zehn Jahre, die die Wirtschaft der BRD zu stemmen hat.

Denn in dem Zahlenwerk sind die Gestaltungskosten der Regelung noch nicht einmal nicht enthalten. Die Bürokratiekosten stellen lediglich, um es in den Worten der Studie selbst zu sagen, die Kosten dar, die durch die Erfüllung sogenannter staatlicher Informationspflichten anfallen. „Letztere sind generell abstrakte Regelungen, bei denen die Bereithaltung oder Übermittlung von Informationen in schriftlicher, elektronischer oder sonstiger Form erfolgt.“

In Auftrag gegeben und finanziert wurde das PwC-Gutachten von der Interessengemeinschaft Tabakwirtschaft e. V., basiert aber auf Vorgaben des Statistischen Bundesamtes. Bei der Erhebungsmethode handelte es sich um das sogenannte Standard-Kosten-Modell, mit dem generell Bürokratiekosten basierend auf Kennzahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) berechnet werden können. Dabei wurden alle Wirtschaftsebenen der deutschen Tabakwirtschaft, die von der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht betroffen wären, berücksichtigt. Das heißt: Auch wenn man vielleicht einige Abstriche aufgrund des Selbstinteresses des Auftraggebers an einem spektakulären Ergebnis machen muss, Substanz wird diese Schätzung dennoch haben.

Die betroffenen Wirtschaftszweige sind breit gefächert: Produzenten, Importeure und Zulieferer fallen darunter, der komplette Handel genauso wie weitere Betriebe an der Peripherie. Die Zahlen hören sich zwar mächtig an, sind aber für die großen Tabakkonzerne durchaus zu stemmen. Kleine und mittelständische Betriebe seien jedoch, so Bodo Mehrlein, Geschäftsführer des Bundesverbands der Zigarrenindustrie, sehr hart getroffen. Für sie habe die Regelung, so drückt er es aus, ‚fast schon prohibitiven Charakter‘.

Besonders hart wirken sich laut PwC die Artikel 14 und 14a der neuen TPD-Anforderungen aus. Diese behandeln Vorgaben bezüglich der Datenerfassung und Rückverfolgbarkeit von Tabakprodukten sowie des Anbringens von Erkennungs- und Sicherheitsmerkmalen auf den Verpackungen. Das macht unter anderem die Anschaffung von komplett neuen Produktions- und Verpackungsmaschinen, Warenwirtschaftssystemen und anderen IT-Peripherien notwendig.

Für mittelständische Betriebe, die nur kleine Chargen produzieren und bewegen, kann dies tödlich sein. Selten verfügen sie über die finanzielle Liquidität, um solche Umstrukturierungen aus den vorhandenen Mitteln zu bestreiten. Gleichzeitig wird es natürlich in Zeiten des Umbruchs, in denen die wirtschaftliche Entwicklung unvorhersehbar ist, schwieriger, an Kredite zu kommen. Natürlich betrifft dies auch die Dampferindustrie. Man nehme zum Beispiel mal die neue Regelung zum „Aufbringen eines gesundheitsbezogenen Warnhinweises auf Packungen/Außenverpackungen von rauchlosen Tabakerzeugnissen unter Berücksichtigung verschiedener Vorgaben“.

Laut der Studie schlägt diese pro Unternehmen alleine einmalig mit 173.000 Euro einmaligen Bürokratiekosten und jährlich mit satten 880.000 Euro laufenden Kosten zu Buche. Da die EU-Einstufung der elektronischen Zigarette als Tabakprodukt unmittelbar gilt, kann man sich den Rest ja vorstellen: Ein weiterer Schlag gegen kleine, unabhängige eCigarette und Liquid-Produzenten. Denn während die großen Tabakkonzerne ihren hinzugekauften eZigaretten-Herstellern solchen informationstechnischen Wahnsinn aus der Westentasche bezahlen, können kleine Hersteller, die mit der Tabakindustrie aus gutem Grund nie etwas zu tun haben wollten, sehen wo sie bleiben.

Denn in Zukunft sollen alle Tabakverpackungen mit individuellen Identifizierungsmerkmalen ausgestattet sein, die den Weg jeder Packung von der Produktion bis zum Einzelhandelsregal nachzeichnen können sollen. Big Data hat einen neuen, großen Bruder: Overkill Data. Aber dazu an anderer Stelle mehr. Tatsache ist, diese Datenerzeugung wird Installationskosten von knapp 40 Millionen Euro kosten und danach jährlich mit weiteren knapp 76 Millionen Euro zu Buche schlagen.

Für die Tabakkonzerne liegt die Verantwortung zur bestmöglichen Eindämmung und Kontrolle der EU-Regulierungswut übrigens klar bei der Bundesregierung – das kommunizieren die Verbände lautstark. Wie diese sich allerdings verhalten wird, ist noch völlig unklar. Ironischerweise könnte sie auch in die komplett entgegengesetzte Richtung marschieren – mit EU-Unterstützung. Denn die Tabakproduktrichtlinie lässt den Mitgliedsstaaten die Freiheit, im Zuge der legislativen Ratifizierung Gebühren für die Prüfung, Analyse und Verarbeitung von eingereichten Informationen durch die zuständigen Behörden zu erheben. Sollte die Regierung von diesem Recht Gebrauch machen, kann das die Bürokratiekosten der Artikel 14 und 14a nochmal locker verdoppeln.

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